Mittwoch, 14. April 2004
Radiohead
"Man kann nicht nur traurige Lieder singen, wenn die ersten Sonnenstrahlen Wärme bringen" gröhlt es mir gerade aus dem Radio entgegen. Sportfreunde Stiller? Ich weiß es nicht, Quellenangabensuchende und Ordnungsfanatiker mögen mir verzeihen. Jedenfalls singt das jemand und hat recht damit. Deshalb steht hier auch nicht mehr, was gerade hier stand. Natürlich hätte ich das nicht extra mitteilen müssen. Tue ich aber.

Stattdessen könnte ich schreiben, daß ich zur Zeit nachts immer an Michael J. Fox denken muß. Genauer gesagt an diesen Film. "Die grellen Lichter der Großstadt" hieß der. Auf Deutsch jedenfalls. Ich mochte diesen Film gar nicht, als ich ihn vor Jahren sah. Trotzdem fällt mir jetzt immer diese Szene ein, in der Fox fertig vom Leben nachts auf der Straße herumläuft und seine Sonnenbrille gegen Brot eintauscht. Ich erinnere mich offenbar immer an die nichtssagendsten Szenen. In diesem Fall ist mein Hund daran schuld, eigentlich sein altersschwacher Verdauungsapparat. Der meldet seit Neuestem immer gegen 4 Uhr morgens seine Bedürfnisse an. Hund fügt sich ihnen eher widerwillig, ich seltsamerweise nicht. Mir macht es Spaß, durch die dunklen Straßen zu schlurfen. Wahrscheinlich würde ich mich gut zur Nachtwächterin eignen. The career I didn´t choose.

Jedenfalls werden um diese Zeit die Filialen der Bäckereiketten beliefert. Und immer wieder kämpfe ich gegen das Bedürfnis an, irgendetwas, das ich bei mir habe, gegen ein Stück Brot eintauschen zu wollen. Nur so, weil die Reaktionen der Lieferanten vermutlich interessant wären. Bestimmt stelle ich mir das alles viel actionreicher vor, als es ist. Wie damals. Als man es witzig fand, wildfremde Leute am Telefon mit dummen Scherzen zu belästigen. Wir alle fanden das irgendwie doof. Aber weil das keiner ausgesprochen hat, sahen wir uns im Gruppenzwang gefangen. Nun taugt so etwas nicht einmal mehr zur "Weißt Du noch, damals..."-Pointe.

Weißt Du noch, worauf Du hinauswolltest, beyond?

Nope.

Na dann lösch das lieber mal wieder.

Sorry, zweimal löschen an einem Tag gilt nicht.

Dann hör wenigstens auf.

Ok. Dieses Lied wird sowieso kein lustiges mehr. Aber wenigstens auch kein trauriges.

Aber ein ziemlich peinliches ist es schon.

Whatever. My home is my castle. Damit hier wenigstens noch ein Allgemeinplatz steht. Wenn sonst schon nix.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Freitag, 9. April 2004
Flashback
Verabredungen zum Kaffee können Lebenslügen aufdecken. Oder vielleicht auch eher Lebensmuster als Lebenslügen. Natürlich kommt man ihnen auf alle möglichen Wegen auf die Schliche, wenn man will. Aber manchmal reicht eine harmlose Verabredungen zum Kaffeeklatsch an harmlosen, sonnenwarmen Tagen zwischen harmlosen sonnengemütigen Menschen. Nach Abhandeln der Wiedersehensfreude und der warmen, sonnigen Themen liegen sie auf einmal auf dem Tisch. Oder schwimmen im Kaffeemilchschaum. Oder verstecken sich als Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Was weiß ich. Auf jeden Fall sind sie plötzlich da. Fühlen sich sicher, weil eine vertraute Atmosphäre herrscht. Weil die Menschen, die einander gegenübersitzen und einander mögen, viel lachen und harmlos über alte Zeiten plaudern. Das ist die richtige Atmosphäre, um unerwartet und daher umso heftiger zuschlagen zu können.

Und die harmlosen sonnengemütigen Menschen nehmen ein Souvenir von dieser Verabredung nach Hause. Das Messer, das ihnen zwischen den Rippen steckt, ist kein harmloses Buttermesser. Auch kein scharfzackiges Fleischermesser. Mehr so ein "ich weiß, was Du willst und Du wirst es nicht kriegen"-Messer aus Kinderzeiten. Aus den ganz frühen Kinderzeiten, als Messer noch ein Synonym fürs Erwachsensein darstellten. Wer mit Gabel UND Messer essen darf, ist groß. Auch groß genug, um die Verletzungsgefahr einschätzen zu können, die solch ein Messer darstellt. Auch wenn man sich vielleicht keine Gedanken darüber macht, daß solch ein Messer zwischen den Rippen steckenbleiben kann und mehr zu sagen hat als "ich weiß, was Du willst und Du wirst es nicht kriegen". Es kann Fragen stellen, messertypisch schneidende Fragen eben.

Zum Beispiel die, warum die Geschichte sich so leicht fortsetzt. So unheimlich gedankenlos leicht. Beispielsweise die von dem Mädchen, das vom Vater vergewaltigt wird. Das Mädchen, das es schafft, dies vor sich selbst zu verheimlichen, bis es einen Mann gefunden und geheiratet hat, der wieder ihre Kinder vergewaltigt. Und über diesen Tag hinaus. Und vielleicht bis in alle Ewigkeit.

Und die Fortsetzung der Geschichte, in der ihre Kinder das selbe versuchen. Mit ähnlichen Teilerfolgen. Wenn 13 Monate in der Psychiatrie als Teilerfolg gelten. Oder die Augen der erwachsenen Tochter. Die in dem Moment zum wahrscheinlich x-ten Male wieder einmal absterben, als die an einem harmlosen Tag bei einer harmlosen Verabredung zu einem harmlosen Kaffeklatsch an einem harmlosen sonnigen Tag einer Freundin davon erzählt. Weil sie drübersteht, wie sie sagt. Jetzt, endlich. Mit 25 Jahren. Und daß der Bruder mit seiner heftigen Psychose noch nicht gelernt hat, da drüberzustehen, ist endlich nicht mehr ihr Bier. Sagt sie. Und überhaupt geht es doch vielen Mädchen so. Viel mehr, als man ahnt. Sagt sie. Und zum ersten Mal gibt die Freundin ihr in Gedanken recht. So klischeehaft, die Geschichte und ihre Fortsetzung, und doch so wahr. Häufiger, als man ahnt. Auch wenn nicht immer der Körper vergewaltigt wird. Das ist klar. Diesen Aspekt lernt heutzutage schon jedes Kind in der Schule. Aus verständlichen Gründen.

Dinge, die man in der Schule lernt, vergißt man bloß gelegentlich recht schnell wieder. Weil man sie nicht braucht. Zum Beispiel hat mich außerhalb der Schule nie jemand gefragt, wann die "Challenger" zu ihrer Fahrt über die Weltmeere aufgebrochen ist. Zum Glück, denn ich weiß es auch nicht mehr. Aber ich weiß viele Dinge aus meiner Kindheit nicht mehr. Unter anderem, wann mir zum ersten Mal ein Messer an die Rippen gesetzt wurde.

Ich weiß, was Du willst und Du wirst es nicht kriegen.

... link (7 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 1. April 2004
Stoßzeiten
Ich überlege immer noch, was das war. Ob es eine zärtliche Geste war, als die Frau heute nachmittag im Park ihrer Tochter den Staub vom Hosenboden geklopft hat. Davor saß sie minutenlang zusammengesunken neben mir auf der Bank und murmelte unaufhörlich: "Schon wieder den Job los, weil sich des Kind ausm Kindergarten geraunzt hat. Warum hast Du nur dieses Kind, warum hast Du nur dieses Kind?!" Und meinte damit den etwa zweijährigen Blondschopf, der fröhlich auf dem Spielplatz hin und her lief und ab und zu strahlend ausrief: "Mama, schau!"

Manchmal wäre es wohl wichtig, mehr Worte zu finden für die Stoßzeiten im Leben. Richtige Worte vor allem.

Außerdem überlege ich noch, ob die Menschen in den Nobelbezirken wirklich schöner sind oder ob es mir nur so vorkam. Ich hoffe auf Variante zwei. Aber das paßt jetzt auch gar nicht hierher. Vielleicht aber doch.

... link (3 Kommentare)   ... comment