Dienstag, 9. März 2004
Heitere Melancholie
So läßt sich der gestrige Abend am besten beschreiben. Seinen wundervollen Anfang hat er mit seinen Perlen. Schön, sich von Ausstrahlung und Können dieses Mannes mitreißen zu lassen. Schön auch, daß der Abend nach dem Konzert genauso weiterging. Danke für die sehr spontane Einladung, M. Mir war vorher gar nicht klar, wie nötig ich so etwas mal wieder hatte.

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Donnerstag, 29. Januar 2004
Rebel yell
Ich habe einen neuen Lieblingsspruch:

"I don´t understand people who are afraid of new ideas. I´m afraid of the old ones." (John Cage)

Seit heute hängt der in sehr großer Schrift über meinem Schreibtisch. Der, den es hauptsächlich angeht, hat ihn schon verstanden. Beruhigend zu wissen, daß er auf kleine Winke ohne Zaunpfahl auch gereizt reagiert.

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Donnerstag, 22. Januar 2004
14 Stunden Schlaf
Soviel braucht der Mensch nicht, würde ich behaupten. Jedenfalls nicht am Stück. Gestern war mein Körper da erstmals anderer Meinung. Deshalb hat er mich erst nachts um drei wach werden lassen. Ziemlich orientierungslos erst. Ich bin ja oft wach um diese Zeit, aber dann noch, nicht schon.

Und seit langem habe ich auch wieder eine Ahnung davon, was es heißt, erholt zu sein. Da scheinen die alten klugen und die jungen altklugen Menschen doch tatsächlich recht zu haben, die immer sagen: "Der Mensch braucht viel Schlaf."

Aber drei Uhr morgens ist trotzdem eine blöde Zeit zum Aufwachen. Langweilig irgendwie. Heute jedenfalls. Niemand da, den man anrufen kann. Oder wenn , dann höchstens mit einem sehr schlechten Gewissen. Verdammt kurz wäre das Gespräch vermutlich auch. Oder zu teuer, weil in einer anderen Zeitzone. Also scheidet das schon mal aus.

Was sonst tun? Staubsaugen wollte ich gestern abend. Aber um 3 Uhr hätte die Nachbarschaft hinter den dünnen Wänden wahrscheinlich so ihre Einwände gegen meinen Ordnungssinn gehabt.

Also auf nach Bloggerhausen. Um diese Zeit ist auch das verständlicherweise wie ausgestorben. Beinahe jedenfalls. Erinnert an eine Geisterstadt. Nicht, daß es nichts zu lesen geben würde. Wenn man nachts in so ein besucherleeres Weblog platzt, spürt man noch ein bißchen das Leben, das hier Stunden vorher noch stattgefunden hat. In den Einträgen und daraus entsponnenen Kommentargesprächen.

Mich hat das etwas an die vergangenen Zeiten als Nebenjob-Kellnerin erinnert. Die Zeit von der Sperrstunde bis zum Verlassen des Lokals mochte ich am liebsten. Ein menschenleeres Lokal mit Erinnerungsspuren. Manchmal hingen beinahe noch spürbar die Gesprächsfetzen in der Luft. Und der Rauch. Der Müll auf und unter den noch nicht gesäuberten Tischen. Ihn zu beseitigen und die Gerüche durchs Fenster verschwinden zu lassen hatte etwas. Irgendwie. Die Gespräche mit den Kollegen und -innen wurden nach Feierabend lockerer. Nicht nur beim Trinkgeld zählen.

"Die Frau mit der hochtoupierten Marge Simpson Frisur hat mindestens sechs Mojitos in einer halben Stunde gekippt, hast Du das mitgekriegt?"

"Ja, und ihr Begleiter hat sein Chili extra scharf bestellt und sich anschließend über die Würze beschwert."

"Ob die wohl ein Paar sind?"

"Bestimmt. So wie der Typ allen Röcken hintergeglotzt hat, während sie sich mit ihrem Glas beschäftigt hat."

Schlußfolgerungen um vier Uhr morgens. Lachen auch. Oder Frust ablassen. Früher. Jetzt gehört diese Zeit meistens mir alleine. Manchmal auch geteilt mit dem Weihnachtsgeist. Beides ist meist angenehm. Friedlich.

Aber heute war es irgendwie langweilig. Ich war nicht mehr und noch nicht in Schuß und wußte nichts anzufangen.

Immerhin weiß ich jetzt, daß der ORF irgendwann gegen 5 Uhr morgens "Will & Grace" bringt. Was das um diese Zeit wohl für Zuseherzahlen bringt? So früh oder auch so spät hat wochentags doch fast jeder etwas anderes zu tun als fernzusehen. Vielleicht haben die das heute ja auch ganz allein für mich gespielt. Unwahrscheinlicher, aber guter Gedanke. Meine Lieblingscomedy ganz allein für mich. Noch dazu eine gute Folge. Die, in der Jack Cher begegnet. Und eine Hellseherin Will prophezeit, daß er sein Leben mit einem Typen namens Jack verbringen wird. Netter Auftakt für den Tag.

Später eine Premiere. Den Supermarkt sofort beim Öffnen gestürmt. Gemeinsam mit einigen Menschen, die sich noch schnell mit Proviant für den Arbeits- oder Schultag versorgen müssen. Mit meinem Netz Orangen die stressigen Wurst- und Brottheken umkurvt und als erste des Tages die Kassa erstürmt. Zur Feier des Tages noch einen Schokoriegel mit aufs Band gelegt. Ich finde ja, für den ersten Kunden des Tages sollte es an Supermarktkassen etwas Besonderes geben. Eine Fanfare. Einen Konfettiregen. Oder besser einen Schokoriegel gratis. Oder noch viel besser ein freundliches Lächeln von der Kassiererin. Damit war es leider nichts. Macht ja nichts. Wenn ich morgens arbeiten muß, gucke ich wahrscheinlich auch nicht freundlicher. Vielleicht hätte ich etwas Freundliches sagen sollen. Freundlicher als das übliche "Schönen Tag noch". Das hält sowieso jeder für eine Floskel. Vielleicht sowas wie: "Hey, Sie sehen ja müde aus. Gehen Sie erst mal in Ruhe frühstücken. Ich kümmere mich solange um die Kassa. Ist kein Problem, ich bin ausgeschlafen und gut drauf."

Hätte ich das doch bloß gesagt. Hätte die Kassiererin vielleicht nicht unbedingt gefreut, aber zumindest überrascht. Dann wäre das Motto des Tages vielleicht gewesen: different day, but also different shit.

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Freitag, 9. Januar 2004
Hinter Tür 19
Heute durfte ich ihn endlich kennen lernen, den Herrn Tür 19. Herr Tür 19 heißt eigentlich Herr H. Jedenfalls hat er sich mir so vorgestellt, inklusive dem "Herr". Irgendwie mochte das nicht recht zu seinem Alter passen. Herr Tür 19 aka Herr H. ist nämlich erst Anfang zwanzig. Seine Promenadenmischung heißt "Judith". Ohne Frau davor, soweit ich mitbekommen habe.

Für beide liegt die Bezeichnung "niedlich" äußerst nahe. Obwohl ich eigentlich davon absehe, Menschen, zumal erwachsene Menschen, als niedlich zu bezeichnen. Aber bei Herrn Tür 19 komme ich nicht umhin. Alles andere paßt da nicht.

Herr Tür 19 ist Student der Juristerei. Aber seine Umgangsformen sind nicht studentisch. Die sind alt. Aber nicht unangenehm alt. Eher witzig alt. Er ist bestimmt jemand, der einer Frau den Mantel über die Pfütze legt, wenn sie es verlangt. Oder nicht verlangt. Möge Gott verhindern, daß ich jemals in die Versuchung komme, das auszuprobieren.

Dazu paßt, daß Herr Tür 19 zuhause mit Hemd, Pullunder und Halstuch herumläuft. Ton in Ton. Und mit Hose natürlich, aber die ist nicht so erwähnenswert. Dazu paßt auch, daß dieses Zuhause voller antiquarischer Eichenmöbel ist. Auch, daß er sich mit "Meine Verehrung" verabschiedet hat, hat mich dann gar nicht mehr gewundert. Aus allen Wolken gefallen wäre ich wahrscheinlich, hätte er einfach "ciao" gesagt. Oder etwas ähnliches.

Jedenfalls: Herr Tür 19, seit ich Sie kenne, kann ich Sie viel besser leiden als vorher. In den letzten Tagen mochte ich Sie nämlich gar nicht besonders. Aber egal.

Die Wartezeit hat sich gelohnt. Ich bin froh, kurz in Ihre Welt geblickt haben zu dürfen. Sie sind ein Unikat. Und ich mag Unikate. Deshalb freue ich mich, daß Sie mein Päckchen unter Verschluß gehalten haben.

Und ich würde mich tatsächlich freuen, wenn Sie auf meine Einladung in meine Welt mal zurückkommen würden. Ehrlich. Ich würde wirklich gern mal wieder mit Ihnen plaudern.

Aber jetzt setze ich mich bewegungslos vor den Fernseher. Bevor der Unbill der letzten Abende mich auch heute erreicht und etwas anstellt. Erst mal ist Bildungsprogramm für den Weihnachtsgeist angesagt. Der hat nämlich viel Ahnung, nur leider nicht von guten Filmen. "Sleepers" halte ich da für unverzichtbar.

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Samstag, 3. Januar 2004
Klartext
Hör mal, 2004. Ich habe Dich wirklich willkommen geheißen. Remember, extra für Dich (und zu Ehren Deines Vorgängers natürlich) stand ich am Bahnhof, als Du 2003 abgelöst hast. Genaugenommen habe ich mich sogar auf Dich gefreut. War gewillt, Deine Lebenszeit positiv zu nutzen. Nicht, daß ich es ausgesprochen hätte. Weißt Du, diese komische Sache mit den Neujahrsvorsätzen liegt mir nicht besonders. Aber so ein paar Pläne hat man ja bald einmal zur Hand. So auch ich. Nicht viel Langfristiges, nichts Großartiges. Aber einiges, das ich mit Dir gemeinsam angehen will.

Schön bunt wirst Du sein, dachte ich. Klar auch mit Ups and Downs, das ist ja normal. Aber trotzdem bunt, wohlgemerkt. Nicht boshaft.

Jetzt bist Du noch gar nicht lange hier und schon zweifle ich an Dir. Du hast mir aber auch echt einen Haufen Trouble beschert bisher. Kekse mit ekelhaften Bißspuren zum Beispiel. Ok, na ja, darüber kann man noch lachen. Mein Amazon-Paket hast Du hinter Tür 19 verschwinden lassen. Gut, ja nicht für immer. Sei Dir also auch verziehen. Die fehlgeleitete SMS. No Comment. Noch paar andere Sachen, die ich noch so toll finden kann.

Dann wache ich heute auch noch auf und hab diese dämliche Grippe. Findest Du es lustig, mir diesen Megaschnupfen an den Hals zu hetzen, wenn ich vor dem Wochenende nicht mehr daran gedacht habe, Taschentücher zu kaufen? Muß wohl so sein. Und gleichzeitig mit Fieber und diversen anderen Zipperleins meinen restlichen Körper auch noch auszuknocken offensichtlich auch.

Oh bitte, rede Dich doch nicht damit heraus, daß Du erst drei Tage alt bist. Na und? Gibt´s für Jahre keine Ausbildung, keine Einschulung, bevor sie auf die Menschen losgelassen werden? Ich wette, Du hast mal zwischendurch bei 2003 ein Schnupperpraktikum gemacht. Da könnt Ihr aber nicht gerade über mich gesprochen haben. Muß ja auch nicht sein, gibt ja noch ein paar andere Menschen. Laß es Dir einfach von mir gesagt sein: 2003 und ich, wir mochten einander. Nicht immer natürlich, Streitigkeiten gibt es ja in jeder Beziehung. Aber im großen und ganzen kamen wir gut miteinander klar. Und kerngesund war ich voriges Jahr auch.

So wollte ich das eigentlich mit Dir weiterführen. Deshalb ist dies eine wirklich freundliche Warnung: stell bald mal was Positives an den Start für mich. Sonst hast Du nämlich bald alle meine Sympathien verspielt. Jawohl, SYMPATHIEENTZUG! Jetzt grins nicht und sag: "Mir doch egal. Es gibt Menschen, die lieben mich. Und Du kannst mich mal."

Wenn Du nämlich glaubst, ich könnte Dir keine Probleme machen, dann täuscht Du Dich gewaltig. Ich werde Petitionen gegen Dich in die Wege leiten. Weltweite. Und da werde ich viele finden, die Dich auch nicht mögen. Gemeinsam sind wir dann stark und werden Dich verjagen. Wie verrate ich jetzt natürlich nicht, soll ja dann eine Überraschung sein.

Also Obacht, 2004. Ich bin nicht das geduldige Duckmäuschen, für das Du mich hältst. Nur, um das einmal gesagt zu haben. Klartext eben.

So, jetzt geh ich wieder schlafen. Und wenn ich aufwache, ist diese verdammte Grippe weg. Oder mein Päckchen liegt neben mir. Oder die SMS hat es nie gegeben. Oder es passiert wenigstens sonst etwas Erfreuliches. Verstanden?

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Donnerstag, 1. Januar 2004
Ritualisiert
Jahreswechsel in einer Bahnhofshalle. Irgendwann ist mir aufgefallen, daß es keinen Ort für mich gibt, an dem Abschied und Begrüßung so nahe zusammen liegen und harmonisieren. Stimmig zu Silvester.

Der hektische Ort wird ruhig in dieser Nacht. Besinnlich vielleicht sogar, aber nicht langweilig. Die Menschen stehen sich auf diversen Silversterpfaden lieber gegenseitig im Weg und teilen durch Gesellschaft nahegelegte Heiterkeit. Wegfahren und Ankommen wird eher vermieden.

Für mich ist das Silvester. Wegfahren und Ankommen. In Frieden, von einem guten Ort zu einem anderen. Möglichst mit einem neuen, mit aufregenden Vorstellungen verknüpften Ankunftsort. Wenn das nicht geht, ist die Bahnhofshalle mein Ersatz, um das alte Jahr zu verabschieden. Frieden damit zu schließen, wenn nötig. Diesmal glücklicherweise nicht.

Diesmal hab ich ihn schon friedlich aufgesucht, meinen Silvesterort. Alleine, wie jedes Jahr. Manche Dinge verlieren an Qualität, wenn man sie teilt. Zwischen den Jahren in einer großen Halle stehen und beobachten. Menschen, die kurz ihre Hast ablegen. Menschen, die der Anlaß noch gehetzter wirken läßt. Menschen, die etwas loslassen müssen, aber nicht darauf kommen, es zu tun. Menschen, die viel loslassen müssen. Schon lange immer wieder mußten, möglicherweise sogar ihr ganzes Leben lang. Menschen, die sich an Flaschen festhalten. Immer, nicht nur zu Silvester.
Die sich trotzdem oder deswegen freuen können, daß es vielen an diesem Tag so geht. Auch solchen, die gar nicht viel verlieren. Oder verloren haben.

Hier gibt es keine gespielte Heiterkeit. Wenn Heiterkeit da ist, ist sie echt. Die Melancholie ist auch echt. Und die Menschen sind echt. Selbst, wenn sie sich in ihre Vergangenheit flüchten. Gerade in dieser Nacht.

Gestern war ich um Punkt Mitternacht doch nicht ganz alleine. Da war Blickkontakt mit einem alten Bekannten. Dem Zeitungsverkäufer. Fast schon "mein" Zeitungsverkäufer. Seit Jahren schon. Er merkt sich Gesichter gut. Und er teilt die Frauen in Kategorien ein. In "Ladies" und "Senoras". Ich bin eine Senora. War ich schon immer. Nach welchen Kriterien er das beurteilt, durchschaue ich nicht. Obwohl ich schon versucht habe, es herauszufinden.

Jedenfalls war er da gestern, am Westbahnhof. Ich auch. Er mit Schnaps, ich mit Kaugummi. Ein kurzes Lächeln des Erkennens kurz vor Mitternacht. Und ein Zuprosten um Mitternacht. Er mit der Flasche, ich mangels einer solcher mit meinem Kaugummi. Wird ihn schon nicht gestört haben. Der damit verbundene Wunsch ist der gleiche. Ich freue mich auf die nächste Begegnung mit ihm. Mehr als sonst, weil ich es zu schätzen weiß, daß er meine Privatsphäre nicht gestört hat. Auch wenn es nur so war, daß er seine nicht gestört wissen wollte. Egal wie herum. Schön war´s.

Auch anschließend, bei meinem Weihnachtsgeist. So schön, daß ich beim Aufwärmen in den Geisterarmen fast die wichtigsten drei Worte gesagt hätte. Den Impuls konnte ich gerade noch unterdrücken. Es wäre viel zu früh gewesen. Später. Vielleicht. Hoffentlich.

2004 wird sich soo sehr von 2003 wahrscheinlich nicht unterscheiden. Trotzdem freue ich mich darauf.

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