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Freitag, 16. Januar 2004
Bericht
beyondorange, 22:41h
Denen ich Mut machen wollte
klang meine Stimme unecht
Vielleicht hatte ich nur mir selbst
Mut machen wollen
Das ging nicht mehr:
Ich sah meine eigene Angst
und war verzweifelt
weil ich verzweifelt war
Mir blieb keine Wahl als zu sprechen
von dieser Verzweiflung
Ich war zu voll von ihr
um sie zu verschweigen
Einige hörten zu
die noch vor Tagen
meine Ermutigungen
nicht angehört hatten
Denen ich helfen wollte
mit meinem Mut
helfe ich vielleicht
mit meiner Verzweiflung
Erich Fried
klang meine Stimme unecht
Vielleicht hatte ich nur mir selbst
Mut machen wollen
Das ging nicht mehr:
Ich sah meine eigene Angst
und war verzweifelt
weil ich verzweifelt war
Mir blieb keine Wahl als zu sprechen
von dieser Verzweiflung
Ich war zu voll von ihr
um sie zu verschweigen
Einige hörten zu
die noch vor Tagen
meine Ermutigungen
nicht angehört hatten
Denen ich helfen wollte
mit meinem Mut
helfe ich vielleicht
mit meiner Verzweiflung
Erich Fried
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Quintessenz
beyondorange, 21:32h
Was an diesem Tod so anders ist: die Gleichgültigkeit und kaltschnäuzige Erleichterung, mit dem das Leben ihm gegenübertritt.
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Freitag, 16. Januar 2004
Leben, Einakter
beyondorange, 00:30h
Die Geburt, das freudige Ereignis. Außer manchmal. Da ist das, was da geboren wird, irgendwie komisch. Bewegt sich nicht richtig, sieht komisch aus. Das freut die stolzen Erzeuger nicht. Manche wollen es dann auch schon gleich gar nicht mehr haben. Deine waren genauso. Wozu hätten sie Dich auch mitnehmen sollen aus dem Krankenhaus? Nein, dann doch lieber ohne davonstehlen.
Für den Abfall wird schon gesorgt werden. Der kommt dann in eines von diesen Häusern. Da, wo sie alle Babys füttern und wickeln. Aber nicht lieben. Das geht dort gar nicht, das mit dem Lieben. Viel zu wenige Menschen haben dort viel zu viel Menschenausschuß zu versorgen. Fürs Lieben bleibt da keine Zeit. Und die professionelle Distanz verbietet es auch. Liebende Familien finden sich leider auch selten. Großes Angebot auf dem Menschenausschußmarkt, wenig Nachfrage. Die Preise erhöht das trotzdem nicht. Die sind hoch genug.
Babys bleiben ja bekanntlich keine Babys. Deswegen müssen sie raus aus dem Babyhaus. Und wieder stimmt da etwas nicht. Kleine Kinder sind doch aufgeweckt und putzig und machen niedliche Dinge. Zumindest, wenn sie als Babys geliebt wurden. Manchmal sogar ohne diese Liebe. Aber eher selten. Du warst keine von diesen Seltenheiten. Deswegen bist Du eben verschoben worden. Dahin, wo die ungeliebten Kinder hinkommen, wenn sie keine Babys mehr sind. In ein anderes Haus. Zu den gleichen Bedingungen.
Niedlich bleiben, Schatz. Niedlich sein ist die einzige Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Wenn man nicht sprechen kann. Oder sich anständig bewegen. Oder sonst irgendetwas normales. Aber komisch sein und nicht niedlich, das ist der Anfang vom Ende. It´s all about the Kindchenschema. Dieses putzige Wesen, das so niedlich lächelt. Das liebt sich leicht.
Du wolltest nicht lächeln, sagt man. Statt dessen hast Du lieber geschrien. Und gesabbert. Und geschlagen. Dich und andere. Bestimmt nicht schon immer, aber irgendwann hast Du damit angefangen. Und Du hast auch nicht aufgehört. Das war nicht niedlich, das war lästig. Deswegen bist Du noch in ein paar andere von diesen Idiotenhäusern gekommen. Nie für lange. Du warst eben nicht niedlich. Im Gegenteil, Du wurdest immer unniedlicher. Sich selbst ständig zu schlagen macht eben nicht niedlich. Das deformiert. Dem Kindchenschema ist das sehr unzuträglich. Wenn man sich selbst ein Auge aussticht gilt das Gleiche. Aber das weißt Du ja, Du hast es probiert.
Und wenn man schon nicht niedlich ist, sollte man doch wenigstens dankbar sein. Wenn sich schon mal jemand die Zeit nimmst, sich einem zu widmen. Zugegeben, manchmal warst Du das auch. Aber all die anderen Male hast Du trotzdem geschrien. Und gebissen. Und geschlagen. Dich und die anderen.
Häßlich warst Du also. Unberechenbar und undankbar auch noch.Keine guten Karten im Spiel des Lebens, mein Lieber. Natürlich, manchmal war das anders. Da hast Du Nähe gesucht. Oder gelacht. Manchmal sogar getanzt. Sogar umarmt hast Du, ein oder zwei Mal. Meine Güte, war das immer ein großes Ereignis. Die Welt stand kopf. Aber nicht lange. Überwogen doch Deine schlechten Seiten. Die, die dazu geführt haben, daß viele Angst vor Deiner Nähe hatten. Nicht nur, weil Du häßlich warst. Das hatten wir ja schon. Weil Du so zornig warst. Warum eigentlich? Ist doch völlig unerklärlich. Hätte Dir doch gut gehen können mit den täglichen drei Minuten Aufmerksamkeit, die Dir geschenkt wurden. Weil Du ungeliebt warst? Weil Deine Bedürnisse nicht zählten? Weil Du ständig abgeschoben wurdest? Das waren doch Kinkerlitzchen, Du dummes Kind. Niedlich hättest Du eben bleiben müssen, dann hätte das schon geklappt.
Aber Du war ja nicht niedlich. Du warst ein Streßfaktor, eine Irritation. Und was bist Du jetzt? Jetzt bist Du weg. Sogar Deinen Schmerz hast Du mitgenommen. Er ist nirgends mehr fühlbar. Überall nur Erleichterung. Fast überall jedenfalls.
Bei manchen ist noch ein bißchen Sehnsucht da. Sehnsucht nach Dir. Aber nur bei denen, die noch leben, wie Du gelebt hast. Sehnsucht kann man in Schokopudding ersticken, wußtest Du das? Das versucht man zumindest. Da, wo Du jetzt nicht mehr bist. Wo nicht einmal mehr Deine Sachen sind. Naja, da sind die meisten schon noch. Aber sie sind nicht mehr Deine. Sie gehören jetzt den anderen ungeliebten Kindern. Nimm´s nicht persönlich. Wir sind eben rational und professionell und Du warst nur ein ungeliebtes, häßliches und kompliziertes Kind.
Schon als Du zur Welt kamst, Sebastian Fahringer. Am 23.4.1994. Bis Du gestorben bist. Am 14.1.2004. So viel Kampf zwischen diesen beiden Daten. So wenig Leben.
Für den Abfall wird schon gesorgt werden. Der kommt dann in eines von diesen Häusern. Da, wo sie alle Babys füttern und wickeln. Aber nicht lieben. Das geht dort gar nicht, das mit dem Lieben. Viel zu wenige Menschen haben dort viel zu viel Menschenausschuß zu versorgen. Fürs Lieben bleibt da keine Zeit. Und die professionelle Distanz verbietet es auch. Liebende Familien finden sich leider auch selten. Großes Angebot auf dem Menschenausschußmarkt, wenig Nachfrage. Die Preise erhöht das trotzdem nicht. Die sind hoch genug.
Babys bleiben ja bekanntlich keine Babys. Deswegen müssen sie raus aus dem Babyhaus. Und wieder stimmt da etwas nicht. Kleine Kinder sind doch aufgeweckt und putzig und machen niedliche Dinge. Zumindest, wenn sie als Babys geliebt wurden. Manchmal sogar ohne diese Liebe. Aber eher selten. Du warst keine von diesen Seltenheiten. Deswegen bist Du eben verschoben worden. Dahin, wo die ungeliebten Kinder hinkommen, wenn sie keine Babys mehr sind. In ein anderes Haus. Zu den gleichen Bedingungen.
Niedlich bleiben, Schatz. Niedlich sein ist die einzige Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Wenn man nicht sprechen kann. Oder sich anständig bewegen. Oder sonst irgendetwas normales. Aber komisch sein und nicht niedlich, das ist der Anfang vom Ende. It´s all about the Kindchenschema. Dieses putzige Wesen, das so niedlich lächelt. Das liebt sich leicht.
Du wolltest nicht lächeln, sagt man. Statt dessen hast Du lieber geschrien. Und gesabbert. Und geschlagen. Dich und andere. Bestimmt nicht schon immer, aber irgendwann hast Du damit angefangen. Und Du hast auch nicht aufgehört. Das war nicht niedlich, das war lästig. Deswegen bist Du noch in ein paar andere von diesen Idiotenhäusern gekommen. Nie für lange. Du warst eben nicht niedlich. Im Gegenteil, Du wurdest immer unniedlicher. Sich selbst ständig zu schlagen macht eben nicht niedlich. Das deformiert. Dem Kindchenschema ist das sehr unzuträglich. Wenn man sich selbst ein Auge aussticht gilt das Gleiche. Aber das weißt Du ja, Du hast es probiert.
Und wenn man schon nicht niedlich ist, sollte man doch wenigstens dankbar sein. Wenn sich schon mal jemand die Zeit nimmst, sich einem zu widmen. Zugegeben, manchmal warst Du das auch. Aber all die anderen Male hast Du trotzdem geschrien. Und gebissen. Und geschlagen. Dich und die anderen.
Häßlich warst Du also. Unberechenbar und undankbar auch noch.Keine guten Karten im Spiel des Lebens, mein Lieber. Natürlich, manchmal war das anders. Da hast Du Nähe gesucht. Oder gelacht. Manchmal sogar getanzt. Sogar umarmt hast Du, ein oder zwei Mal. Meine Güte, war das immer ein großes Ereignis. Die Welt stand kopf. Aber nicht lange. Überwogen doch Deine schlechten Seiten. Die, die dazu geführt haben, daß viele Angst vor Deiner Nähe hatten. Nicht nur, weil Du häßlich warst. Das hatten wir ja schon. Weil Du so zornig warst. Warum eigentlich? Ist doch völlig unerklärlich. Hätte Dir doch gut gehen können mit den täglichen drei Minuten Aufmerksamkeit, die Dir geschenkt wurden. Weil Du ungeliebt warst? Weil Deine Bedürnisse nicht zählten? Weil Du ständig abgeschoben wurdest? Das waren doch Kinkerlitzchen, Du dummes Kind. Niedlich hättest Du eben bleiben müssen, dann hätte das schon geklappt.
Aber Du war ja nicht niedlich. Du warst ein Streßfaktor, eine Irritation. Und was bist Du jetzt? Jetzt bist Du weg. Sogar Deinen Schmerz hast Du mitgenommen. Er ist nirgends mehr fühlbar. Überall nur Erleichterung. Fast überall jedenfalls.
Bei manchen ist noch ein bißchen Sehnsucht da. Sehnsucht nach Dir. Aber nur bei denen, die noch leben, wie Du gelebt hast. Sehnsucht kann man in Schokopudding ersticken, wußtest Du das? Das versucht man zumindest. Da, wo Du jetzt nicht mehr bist. Wo nicht einmal mehr Deine Sachen sind. Naja, da sind die meisten schon noch. Aber sie sind nicht mehr Deine. Sie gehören jetzt den anderen ungeliebten Kindern. Nimm´s nicht persönlich. Wir sind eben rational und professionell und Du warst nur ein ungeliebtes, häßliches und kompliziertes Kind.
Schon als Du zur Welt kamst, Sebastian Fahringer. Am 23.4.1994. Bis Du gestorben bist. Am 14.1.2004. So viel Kampf zwischen diesen beiden Daten. So wenig Leben.
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Stormbrain
beyondorange, 02:18h
Ein schiefes Gesicht. Die Furchen des Lebens. Glockenstäbe. Rot und gelb. Plüsch aber blau, nicht rot. Gummibärchen. Da wieder nur rot. Bernhard Fibich. Nicht zu laut, nicht zu leise. Entschiedenheit. Messerscharfer Instinkt. Dein unerkanntes Wunder. Deine Entschädigung? Andernorts wurde geraten, beraten, theoretisiert. Geschlossen. Oft. Geschlossenes kann man als erledigt betrachten. Erledigungen lassen keine Fragen offen. Lichtblitze. Lachen. Lachen läßt auch keine Fragen offen. Aber alles andere. Bis zum Schluß. Ungeklärte Fragen, die letzte. Hast Du nun gewonnen oder verloren? Ich werde es nie erfahren. Das ist das Schlimmste.
Mach´s gut, kleiner Rebell.
Mach´s gut, kleiner Rebell.
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Dienstag, 13. Januar 2004
beyondorange, 06:17h
Die einen und die anderen
Die einen und die anderen
Sagen zu mir:
Ich rauche zu viel,
Ich trinke zu viel,
Ich liebe zu viel,
Ich reise zu viel,
Ich denke zu viel,
Ich fühle zu tief,
Ich arbeite zu viel.
Und sie sagen, es würde mich
Noch mal mein Leben kosten.
Leben kann man
Ohnehin nicht ansparen
Die einen und die anderen
Sagen zu mir:
Ich rauche zu viel,
Ich trinke zu viel,
Ich liebe zu viel,
Ich reise zu viel,
Ich denke zu viel,
Ich fühle zu tief,
Ich arbeite zu viel.
Und sie sagen, es würde mich
Noch mal mein Leben kosten.
Leben kann man
Ohnehin nicht ansparen
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